Project start: January 2023
Last updated: May 2023
Hydroponik
Über den Sommer 2022 habe ich aus einer Supermarkt Basilikumpflanze durch Stecklinge mehr und mehr Basilikum generiert.
Die ins Wasser gestellten Triebspitzen bilden innerhalb weniger Tage Wurzeln und konnten kurz darauf eingepflanzt werden.
Bisher hatten mich Pflanzen nicht sonderlich interessiert. Das lag vermutlich an den langen Wartezeiten, bis ein Ergebnis sichtbar ist.
Dem Basilikum hingegen konnte ich fast beim Wachsen zusehen.
Mit Blick auf den folgenden Sommer wollte ich das Thema erneut angehen. Da gegen Ende meine Pflanzen aber mehr und mehr blass aussahen, wollte ich mich diesmal in das Thema etwas einlesen.
Ich muss dazu sagen, dass ich die Stecklinge in irgendeine Garten/Blumenerde gesteckt habe und sie nichts weiter als Sonne und Wasser von mir bekamen.
Bei meiner Internetrecherche muss ich irgendwo falsch abgebogen sein, da ich mich nurnoch erinnern kann nach der besten Hydroponik Technik gesucht zu haben.
Bei hydroponischen Anbaumethoden bekommen die Pflanzen ihre Nährstoffe durch die Nährstofflösung. Das Substrat dient oft nur als Stabilisierung oder Wasserspeicher, jedoch nicht als Nährstofflieferant.
Salate und Kräuter, aber auch Früchte lassen sich besonders effizient auf diese Weise anbauen.
Besonders angesprochen hat mich die Mess- und Kontrollierbarkeit eines solchen Systems.
Das Wasser wird durch Zugabe von Hydroponikdünger mit Nährstoffen angereichert. Aussage über die Konzentration davon gibt der EC-Wert (Electrical Conductivity).
Welche der Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar sind hängt vom PH-Wert ab. Basilikum ist beispielsweise mit PH Werten zwischen 5.5 und 6.5 happy.
EC und PH können mit entsprechenden Messgeräten einfach bestimmt werden.
Auch die Luft- und Wassertemperatur sowie Beleuchtungsintensität beeinflussen das Wachstum des leckeren Krautes. Letztere kann ich nicht vollstädig in meiner Balkonkultur im Freien beeinflussen.
Aber immerhin Messen und bunte Graphen zeichnen!
Genug zu dem Was und Warum.
Bevor das Wetter auch nur ansatzweise ein Wachstum im Freien zugelassen hätte habe ich angefangen Basilikum aus Samen anzuziehen.
Eine spezielle Anzuchtbox habe ich mir gespart. Stattdessen die Kokosnussfasern (die ich später zusammen mit Blähton als Substrat verwende) in Filmdosen gefüllt.
1-3 Samen Basilikum oben drauf und täglich mit Wasser besprüht.
Ein warmer Standort am Balkonfenster ist genau richtig.
Bis die Pflanzen ihre ersten Blätter gebildet haben sollten die Dosen in einem geschlossenen Behälter stehen. Dadurch bleibt die Luft feucht und die Samen trocknen nicht aus.
Weck Gläser funktionierten ganz okay.
Unterdessen konnte ich mich um die eigendliche Hydroponik kümmern, bei der ich mich für die Nährstoff-Film-Technik (engl. nutrient film technique), kurz NFT, entschieden habe.
Dabei hängen die Pflanzen meist in kleinen Netztöpfen in einem Kanal, sodass die Wurzeln an dessen Boden wachsen und dort in einem wenige Millimeter dicken Nährstofffilm liegen.
Das Wasser zirkuliert dabei mithilfe einer Pumpe aus einem Reservoir durch das Rohrsystem. Ein Fluss von 2 L/min ist dabei ausreichend.
Entgegen der Deep Water Cultivation (DWC) darf das Wasser bei der NFT nicht stehen. Geht die Pumpe einmal aus, sollte das Wasser aus dem gesamten System abfließen.
Dies hat leider auch zufolge, dass bei einem defekt der Pumpe die Pflanzen innerhalb weniger Stunden ausgetrocknet sind.
Der durchgehende Fluss ist jedoch besonders wichtig, da so die Nährstofflösung um die Wurzeln kontinuierlich ausgetauscht wird.
Als optimales Material werden in vielen Anleitungen rechteckige Kanäle aufgeführt.
In Deutschland habe ich diese bisher nicht im Baumarkt finden können. Lediglich in spezialisierten Hydroponik Onlineshops und das war ich nicht bereit zu bezahlen.
Also wurde es HT-Rohr DN 75. Grau macht sich aber nicht so schön auf dem Balkon und damit sich die Rohre im Sommer nicht zu stark erwärmen ist weiß eh die bevorzugte Farbe.
Da ich bisher nicht so gute Erfahrungen mit dem Lackieren von HT-Rohren gemacht habe wurden sie dieses Mal mit feinem Schliefpapier angerauht. Mit Aceton lässt sich die Aufschrift einfach entfernen und die Oberfläche von Fett befreien.
Dann kam eine schicht Plastik Primer aus der Sprühdose drauf. Danach in mehreren Schichten weiße Farbe. Am Ende noch Klarlack.
Mittlerweile waren die Pflanzen bereits aus ihren Dosen herausgewachsen und wollten umgezogen werden.
Netztöpfe sind käuflich zu erwerben, jedoch sind diese für eine gerade Auflagefläche ausgelegt.
Mein Kanalsystem hat jedoch eine Rundung von etwa D=75mm. Löcher konnte ich in die Rohre mit einem 55mm Lochkreisschneider Bohren.
Mit diesen beiden Maßen war es mir möglich, einen Netztopf zu zeichnen und anschließend aus weißem PETG zu drucken.
Die Freecad Dateien und 3D Modelle sind am
Ende dieser Seite zu finden.
Gehalten wird das Pflänzchen von Blähtonkugeln und Kokosnussfasern. Diese geben Stabilität, speichern gleichzeitig Feuchtigkeit und bieten eine gute Sauerstoffzufuhr.
Ab diesem Zeitpunkt reichen die im Samen befindlichen Nährstoffe nicht mehr für das weitere Wachstum aus und es muss gedüngt werden.
Ich werde in dieser Saison den Hydroponikdünger NovaMax Grow von Terra Aquatica ausprobieren, der für die vegetative Wachstumsphase bestimmt ist.
Sollen Pflanzen mit Blüten oder sogar Früchten angebaut werden, sind ab diesen Phasen andere Dünger hinzuzugeben. Für mich genügt ein 1-Part Flüssigdünger.
Der Liter kostete mich etwa 15€ und sollte in meinem Minisystem mehrere Jahre ausreichen, da nur 1.5mL pro Liter hinzugegeben werden müssen. Das Wasser im Reservoir wird etwa einmal im Monat ausgewechselt.
Über ein halbes Jahr komme ich grob überschlagen auf etwa 100mL, somit ist dies kein großer Kostenfaktor.
Die angestrebte Nährstoffkonzentration hängt von der größe der Pflanze ab. T.A. macht bei diesem Dünger folgende Angaben:
- 1st Roots: 0.3mL/L oder 0.3 - 0.6 mS/cm
- 1st true leaves: 1mL/L oder 0.8 - 1.2 mS/cm
- Growing: 1.5mL/L oder 1.3 - 1.8 mS/cm
Gleichzeitig sollte das Wasser einen PH Wert zwischen 5.5 und 6.5 haben. EC und PH Messe ich mit dem Peaktech 5306 "3 in 1 PH-Meter in Stiftform für PH/EC/TEMP".
In Leitungswasser messe ich bei mir einen EC von 400µS/cm. Wenn ich das korrekt verstanden habe muss ich den angestrebten EC von beispielsweise 800µS/cm auf diesen Startwert addieren, der Lösung also Dünger hinzugeben, bis ich 1200µS/cm messe.
Destilliertes Wasser besitzt keine elektrische Leitfähigkeit, diese Rechnung enfällt bei dessen Verwendung demnach. Ebenfalls passt der PH Wert nach der Hinzugabe von Hydroponikd¨nger meist sehr gut.
Mein Leitungswasser hingegen besitzt einen Ph von etwa 8.0. Mittels "T.A. ph Down" kann dieser gesenkt werden. Pro Liter Leitungswasser sind es mindest 1mL ph Down, den ich dazugeben muss.
Während die heranwachsenden Basilikumbüsche hoffentlich ein glückliches Dasein fristen kommen wir nun zurück zum NFT System.
Das Reservoir wird eine 400mm x 300mm x 220mm Eurobox. Möglicherweise ist diese mit einer maximalen Füllhö von 15 Litern etwas zu klein, mein Hydroponiksystem ist aber auch nicht besonders groß.
Mein Balkon ist nach Osten ausgerichtet. Somit habe ich bis etwa 14 Uhr morgens direkte Sonneneinstrahlung.
Über dem südlichen Geländer werden vier etwa 130cm lange HT-Rohre in einem vertikalen Aufbau angebracht.
Die Steigung der Rohre ist auf 3% ausgemessen. Das Wasser sollte so langsam wie möglich fliessen, jedoch keinesfalls stehen können.
Mittig ist der Abstand der Rohre (Mitte zu Mitte) 30cm. Die Pflanzen haben demnach zwischen 23.5cm und 29.5cm nach oben Platz.
Löcher sind in einem Abstand von 14.7cm gebohrt, sodass acht Netztöpfe pro Reihe platz finden. Insgesamt kann ich somit 32 Pflanzen anbauen.
Zur Montage der Rohrkonstruktion konnte ich die bestehenden Metallstangen hervorragend verwenden. Lediglich ein paar 3D-Drucke waren notwendig entsprechende Klemmen herzustellen.
Einen Testfit konnte ich mit einem überwinterten Lila-Basilikum machen.
Auf dem Balkonboden steht das Eurobox-Reservoir, in welches das Wasser zurückfließt.
Eine Eden 128 Wasserpumpe mit 25W schafft die 185cm Förderhöhe mit etwas mehr als 2.5L/min.
An einem PVC U-Rechteckprofil sind mehrere Sensoren befestigt.
Insgesamt plane ich folgende Messwerte automatisiert zu erfassen:
- Lufttemperatur
- Wassertemperatur
- EC-Wert (siehe DIY EC-Probe)
- Durchfluss / Flow Rate
- Wasserstand / Volumen
- Bodenfeuchte
Die EC Probe hängt etwa 2cm vor dem Einlass der Pumpe. So misst sie das Wasser, was kurz darauf an die Wurzeln gefördert wird. Auch könnte es durch die Bewegung Ablagerungen vorbeugen.
Ein PH Sensor für den Dauereinsatz war mir bislang zu teuer, weshalb ich gelegentliche PH Messung manuell eintragen werde.
Weitere Messwerte der Umwelt erhalte ich durch meine Wetterstation:
- Lufttemperatur
- Luftdruck
- Relative Luftfeuchte
- Windgeschwindigkeit
- Beleuchtungsintensität
- UV Einstrahlung
- Niederschlag
Die Microcontroller zur Messwerterfassung ist ein ESP32. Dieser hat genügend GPIO zur Ansteuerung diverser Sensoren.
Um zuverlässig analoge Spannungen (vom EC Sensor und von den Bodenfeuchtesensoren) zu Messen wird ein ADS1115 4-Kanal I2C ADC verwendet.
Die Elektronik hat in einer Transparenten Butterbrotbox Platz und muss nur vor leichtem Regeneinfall geschützt sein.
Da ich plane in Zukunft Sensoren hinzuzufügen oder sich manche auch als ungeeignet herausstellen könnten ist der ESP32 auf seinem Devboard auf eine Lochrasterplatine aufgesteckt.
Dennoch habe ich zur Dokumentation die Verbindungen aufgezeichnet.
Am Balkon habe ich ein 12V Netzteil angebracht, welches ich als Spannungsquelle für dieses Projekt mitnutze.
Diese werden mittels Step-Down Converter auf etwa 7.5V für den nachfolgenden Linearregler gesenkt, um nicht mehr als 50% Leistung in Hitze zu verbraten.
Der LM317 Linearregler ist für 5V Ausgangsspannung konfiguriert und versorgt den ESP32 mit seinem 3.3V Linearregler.
Einen weiteren 3.3V Linearregler habe ich verwendet, um spannungsempflindliche komponenten wie den EC Sensor und den ADS1115 von der Spannungsversorgung des ESP zu entkoppeln.
Alles Weitere sind direkte Verbindungen der Sensoren zum Microcontroller.
20230518_hydroponic-controller_schematic.pdf
Den Selbstgebauten EC-Sensor habe ich an gesonderter Stelle beschrieben. Siehe:
DIY EC-Probe
Wasserstandssensor
Zuerst habe ich einen HC-SR04 Ultraschall Distanzsensor verbaut, mit dem die Distanz zur Wasseroberfläche bestimmt werden sollte.
Leider funktionierte dies nicht sehr zuverlässig. Vorallem aber war mir dieser Hardware nur eine Auflösung von etwa 3 mm erreichbar sowei ein Mindestabstand von einigen Centimetern notwendig.
Mein Reservoir ist mit einer Grundfläche von 27 cm * 36.5 cm = 9.855 dm² sehr klein, dennoch machen 1 mm Höhe ca. 100mL Volumen aus.
Eine Art Distanzsensor, die mir in den Sinn kam waren ToF Distanzsenoren. Diese messen den Abstand zu einer reflektierenden Oberfläe durch die Dauer, die das Licht (Infrarotlaser) für den Hin- und Rückweg benötigt "Time of Flight".
Daraus kann die Distanz millimetergenau bestimmt werden. Der VL6180X ist ein solcher Sensor, der fü den Bereich bis 10cm ausgelegt ist. Unter kontrollierten Bedingungen sind aber 20 cm Problemlos möglich.
Mit dem Sensor senkrecht auf einem 20 mm (OD) PVC Rohr schaffe ich eine solche kontrollierte Umgebung. In das Rohr wird ein PETG Zylinder mit Hohlraum als Schwimmer geschoben.
Der Sensor hatte dennoch etwas Schwierigkeiten die Innenwände des Rohres von dem Schwimmer zu unterscheiden. Um dies zu verbessern ist eine reflektierene Aluminiumfolie (Zerschnittener Deckel einer Dose) aufgeklebt.
Etwas Sorge hatte ich um den offenen Sensor über dem salzhaltigen Wasser. Deshalb kam etwas Frischhaltefolie direkt auf den Sensor IC, gehalten von einem kleinen Plastikrahmen.
Sollten sich dort Ablagerungen bilden hoffe ich diese Folie einfach auszutauschen, statt für 20€ neue Sensoren kaufen zu müssen.
Eine Abdeckung am Ende verhindert das Rausfallen des Schwimmers, dient als Filter gegen Feststoffe, die im Wasser schwimmen k&oum;nnten und definiert den Abstand des Sensors zum Reservoirboden.
Dieser Sensor lief mittlerweile über einen Monat und liefert ohne Probleme Werte. Da diese Werte einige Millimeter schwanken können ist eine ordentliche zeitliche Filterung dennoch nötig.
Bei einem langsamen System wie diesem ist das aber nicht das Problem.
Update Juli 2023
Mitte Mai habe ich die ersten vorgezogenen Pflanzen in das System eingesetzt. Hier ein Foto 1.5 Monate später:
Update September 2023
Über den Sommer ist der Lila Basilikum richtig eskaliert. Die Pflanze wurde, wie auch der Basilikum Genovese, immer kurz über einem Blattknoten abgeschnitten.
So wachsen von dort aus zwei weitere Stämme. Beim Lila Basilikum wird dieser Stamm richtig dick und holzig. Dann kamen die Blüten.
Wie die Blätter sind diese beim Lila Basilikum auch essbar und eignen sich frisch oder getrocknet wunderbar als dekoratives Kraut auf vielen Gerichten.
Bei dieser Menge an Blüten waren oft einige Bienen und Hummeln an dem Busch zugange.
Zum Nachteil wurden hier allerdings die 75er HT Rohre, denn die zwei Pflanzen wuchsen auch im Wurzelbereich enorm und brachten die NFT Rinnen mehrere Male zum Überlaufen.
Als die Temperaturen und das Sonnenlicht ab Herbst immer mehr abnahmen mussten die restlichen Pflanzen komplett abgeerntet werden. Heraus kamen noch 2 kg Basilikumpesto. Zum Glück lässt es sich gut einfrieren.
Ende 2023 stand der Umzug in eine Wohnung mit Südbalkon an. Dort wurde das NFT System in etwas anderer Form erneut aufgebaut:
Horizontal NFT
3D Files